Rechtsprechung und Justizhoheit
Rechtsprechung und Justizhoheit - Festschrift für Götz Landwehr zum 80. Geburtstag von Kollegen und Doktoranden, hg. v. Drecktrah, Volker/Willoweit, Dietmar. Böhlau, Köln 2016. 480 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wie die Herausgeber in ihrem kurzen Vorwort hervorheben, hat es Götz Landwehr in seiner ihm eigenen Bescheidenheit und Zurückhaltung bislang erfolgreich verstanden, sich Ehrungen seiner Person zu entziehen. Da ihm aber eine große Zahl von Akademikern und Akademikerinnen viel zu verdanken haben, war es ihnen ein großes Anliegen, diesen Dank auch einmal in akademisch üblicher Form öffentlich auszusprechen. Die dabei gelungene Festschrift zeigt im Eingang den bedeutenden Rechtshistoriker nach weit mehr als fünfzig Jahren erfolgreichen akademischen Wirkens in unveränderter Freundlichkeit und offener Zugewandtheit.
Geboren wurde Götz Landwehr nach Ausweis des beigegebenen Lebenslaufs in Verden an der Aller am 24. November 1935 als ältester Sohn eines leitenden Oberstaatsanwalts, der von Verden 1949 nach Hannover wechselte. Nach dem Abitur am staatlichen humanistischen Kaiser-Wilhelms-Gymnasium studierte Götz Landwehr Rechtswissenschaft zunächst in Marburg und ab 1958 in Göttingen, wo er nach der ersten juristischen Staatsprüfung im Jahre 1960 neben der praktischen Ausbildung als wissenschaftliche Hilfskraft bei Wilhelm Ebel wirkte und nach dem Ausscheiden aus dem Referendardienst 1963 wissenschaftlicher Assistent wurde, Bereits in diesem Jahre wurde er mit einer Dissertation über die althannoverschen Landgerichte (über Rügegerichtswesen) promoviert und nur zwei Jahre später mit einer grundlegenden Schrift über die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter für deutsche Rechtsgeschichte, bürgerliches Recht und Handelsrecht habilitiert, so dass er noch im gleichen Jahr in der Nachfolge Siegfried Reickes als ordentlicher Professor nach Heidelberg berufen werden konnte, von wo aus er 1969 als Nachfolger Hermann Schultzes von Lausaulx (1901-1999) nach Hamburg wechselte und trotz ehrenvoller Rufe nach Bielefeld, München, Köln und Erlangen bis zu seiner Emeritierung am 31. März 2001 verblieb.
Das am Ende beigegebene Schriftenverzeichnis weist eine eindrucksvolle Breite der Interessen aus. Verfassungsgeschichte, Gerichtsverfassungsgeschichte, Prozessrechtsgeschichte, Privatrechtsgeschichte, Seerechtsgeschichte und Gelehrtengeschichte stehen auf gleicher hoher Ebene nebeneinander. Monographien wie Aufsätze haben die Forschung an vielen Stellen eindringlich gesichert und vorangebracht, wovon nicht zuletzt mehr als 50 erfolgreiche Doktoranden beredte Zeugnisse ablegen.
Die gewichtige, von bekannten Stiftungen über Karl-Joachim Dreyer geförderte Festschrift selbst enthält zwanzig vielfältige Beiträge. Sie sind nach einer Einführung über Rechtsprechung und Justizhoheit durch den Heidelberger frühen Schüler Dietmar Willoweit in fünf gedankliche, grundsätzlich chronologisch geordnete Einheiten zusammengefasst. Sie betreffen die Grundlegung normativen Denkens im gelehrten Recht des Mittelalters, die höchste Gerichtsbarkeit im Alten Reich, die territoriale Gerichtsbarkeit im Alten Reich, den Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts und seinen Untergang und schließlich die Entgrenzung der Rechtsprechung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Dabei beginnt etwa Maximiliane Kriechbaum mit Stellungnahmen der mittelalterlichen Legistik zum kanonistischen Zinsverbot und behandelt Tilman Repgen die rechtliche Argumentation in foro conscientiae anhand von Beispielen aus Vitorias Summenkommentar. Für die höchste Gerichtsbarkeit werden das Königsgericht, der Reichshofrat und der Zustand der höchsten Reichsgerichte insgesamt angesprochen, für die territoriale Gerichtsbarkeit neben ihrer Selbständigkeit und Abhängigkeit Bremen und Verden sowie Schlitz in Hessen. Im Rahmen des Rechtsstaats werden Richterernennung, Markengesetze, Nachbarschaftsstreitigkeiten und Strafrecht im Dritten Reich erörtert, für das spätere 20. Jahrhundert die Friedensgerichtsbarkeit, der Indizienbeweis, der Syndikusanwalt, der Rechtsfortbildungsauftrag, die Legitimation der Rechtsprechung im rechtsstaatlichen Funktionengefüge, das Verhältnis von Rechtsstaat und Richterstaat sowie für das 21. Jahrhundert die Zukunft des Naturrechts.
Insgesamt bietet der mit der Justitia am Eingangsportal des Rathauses der Hansestadt Stade vorzüglich geschmückte Band dementsprechend eine Vielzahl neuer Erkenntnisse. die für den Leser noch durch ein Register hätten aufgeschlossen werden können. Sie entsprechen der Weite des Wirkens des Jubilars. Möge das damit veranschaulichte Bild von Recht und Rechtsgeschichte im Leben Götz Landwehrs dauerhaft mit seinen vielen Erfolgen verbunden bleiben.
Innsbruck Gerhard Köbler