FürstenMacht - wahrer Glaube – Reformation und Gegenreformation
FürstenMacht - wahrer Glaube – Reformation und Gegenreformation – Das Beispiel Pfalz – Neuburg, hg. v. Henkel, Michael/Nadler, Markus, Teichmann, Michael u. a. (= Neuburger Kollektaneenblatt 165). Pustet, 2017, 451 S., 184 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.
Bis Anfang November 2017 veranstaltet die Bayerische Schlösserverwaltung in Verbindung mit der Stadt Neuburg an der Donau in dem Schloss in Neuburg eine große Ausstellung zur Konfessionsgeschichte. Der vorliegende Katalog zu dieser Ausstellung ist die derzeit aktuellste und umfassendste Darstellung zur Konfessionsgeschichte des nördlichen Teils des Bezirks Schwaben. Das Ausstellungsgebäude zeigt in seiner Architektur den Niederschlag, den die Reformation zum evangelischen Glauben durch Pfalzgraf Ottheinrich (1543) fand, in der Neuburger Schlosskapelle, dem ersten protestantisch gestalteten Kirchenraum. Als in der Zeit des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm (1613) in Folge seiner Konversion zum katholischen Glauben die maßgebliche Konfession in dem Fürstentum wechselte, wurde an das Neuburger Schloss die Hofkirche angebaut, deren Baugeschichte und Ausstattung sie zu einem der bedeutendsten Sakralbauten der Gegenreformation in Süddeutschland machte. Zwischen den beiden Ereignissen innerhalb von 70 Jahren ist das Fürstentum tief zerrissen. Die 23 Beiträge (S. 28 – 254) von sachkundigen Autoren beleuchten die Zustände in dem Fürstentum aus allen wesentlichen Perspektiven, die handelnden Personen (besonders Ottheinrich, Philipp Ludwig und Wolfgang Wilhelm) erfahren eine Darstellung, die ihre Handlungsweise und ihre Handlungsmöglichkeiten verständlich machen. Lokalstudien zu den Städten Sulzbach, Lauingen, Sinning und Neuburg zeigen, wie sich die Veränderungen auf die Bevölkerung im Fürstentum auswirkten. Eine besondere Beschreibung erfahren die Fürstinnen des Hauses Pfalz-Neuburg in ihrer Stellung zu den Konfessionsproblemen. Nicht selten gehörten die Fürstinnen einer anderen Konfession als die Herrscher an. Sie machen deutlich, dass die Fürsten nicht selten ihre Konfession nicht aus innerer Zuwendung wählten, sondern sie zeigen, dass nicht selten Fragen der Machtgewinnung oder Machterhaltung für die Wahl der Konfession entscheidend waren. Anhand des überschaubar kleinen Fürstentums Pfalz-Neuburg können viele der Entwicklungen, die letztendlich zum Dreißigjährigen Krieg führten, besser verstanden werden. Zu beachten ist bei dem Fürstentum Pfalz-Neuburg immer, dass es in enger Grenzlage zum benachbarten Herzogtum Bayern und zu der Reichsstadt Regensburg lag, die beide unerschütterlich altgläubig geblieben waren und jegliche Bestrebung zum Protestantismus intensiv bekämpften. Bei dieser Bedrohung ist es zu bewundern, wie die Bevölkerung sich dem neuen Glauben zuwandte und ihm trotz Erschwernissen anhing. Auf der anderen Seite zeigen die Altgläubigen ihre Verbindung zum hergebrachten Glauben, obwohl ihnen dadurch erkennbar Nachteile erwuchsen. Diese Haltung zieht sich durch die Beiträge, welche Einzelaspekte beleuchten. Johannes Friedrich stellt aus evangelischer Sicht die Unterschiede des evangelischen und des katholischen Bekenntnisses dar. Paul Oberholzer von der Päpstlichen Universität Gregoriana stellt in einem überaus lesenswerten Beitrag das Bild des Protestantismus dar, wie es die ersten Jesuiten hatten. Die Taktik, auf die Vielzahl der Reformationsschriften mit eigenen Schriften zu antworten, die sich nicht in Polemik ergingen, sondern die andere Gesinnung der Altgläubigen darstellten, und die bewusste Ablehnung von Begegnungen oder Disputationen mit Vertretern der neuen Lehre, ist als eine noch heute gültige Handlungsanweisung für den Umgang mit Irrlehrern (auch anderer Provenienz) bedeutsam. Daneben sollten die Jesuiten die Altgläubigen in ihrem Glauben bestärken und versuchen Wechsler zur neuen Lehre, selbst mit vertretbaren Zugeständnissen, zur alten Lehre zurückzugewinnen. Beachtlich dabei ist, dass der neue Orden der Jesuiten eigentlich die Überseemission zum Aufbau eines christlichen Weltreiches gestalten sollte, jedoch war er nun dringend gefordert, den Katholizismus in Kerneuropa zu stärken. In ihrem Bericht zu Pfalzgraf Philipp Ludwig (S. 125 – 134) zeigt Sabine Ullmann überzeugend, durch welche Maßnahmen des Pfalzgrafen sich die wirtschaftliche Lage des Fürstentums in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verbesserte. Durch die Eingliederung der neu entstandenen Landeskirche in den staatlichen Aufbau förderte er die landesfürstliche Staatsbildung. In einer zukunftsfähigen Entscheidung ging er von dem System der Geldbeschaffung über Kredite ab, indem er einerseits die Ausgabenwirtschaft des Hofes einschränkte und andererseits die Einnahmebasis durch eine effiziente Verstärkung der Fiskalverwaltung und eine verbesserte Wirtschaftsförderung förderte. Hierzu gehörte für den Fürsten eine Landesaufnahme, die ihm ab 1585 einen Überblick über die ihm im Lande zustehenden rechtlichen Befugnisse verschaffte. Die Dörfer wurden angehalten ihre Rechtsaufzeichnungen an die Zentralbehörde nach Neuburg zu übersenden. Eine vergleichbare Aufnahme für die Städte war bereits um 1560 erfolgt, ohne dass die Unterlagen ausgewertet worden waren. Dank dieser Maßnahmen ist für das Fürstentum eine Sammlung von Weistümern über 30 Ortschaften aus der Zeit vom Ende des 15. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts erhalten. Selten ist es, dass rechtsgeschichtlich wertvolle Quellen in einem solchen Umfange zur Verbesserung der Finanzausstattung eines Territoriums gesammelt wurden. Der Katalogteil (S. 255 – 419) stellt in sorgfältigen Beschreibungen die Ausstellungsobjekte in XII Rubriken vor. Jedem Objekt ist eine Abbildung beigegeben, sodass die Ausstellung auch noch nach ihrem Ende gewürdigt werden kann. Sie liefert ein Kompendium für das Gebiet des Fürstentums. Unter den Ausstellungsobjekten verdienen die Schriften über den ‚Kainsmord von Neuburg‘ (S. 327 – 329) das Interesse des Rechtshistorikers. Wenige Wochen nach Luthers Tod wurde in Neuburg der spanische Protestant Juan Diaz mit Hilfe eines gedungenen Mörders durch seinen Zwillingsbruder Alphonso Diaz, der zu dieser Zeit in Rom in dem Judicio Rotae arbeitete, erstochen. Dieser Mordfall erregte reichsweit Aufsehen und führte zu einer Vielzahl an Schriften. Philipp Melanchthon, als wirkmächtigster protestantischer Theologe nach Luthers Tod, verglich in einer bald herausgebrachten Schrift den Mord eines Katholiken an seinem evangelischen Bruder mit dem biblischen Brudermord Kains an Abel. Melanchthon stellte die Anhänger des Papstes in die Nachfolge Kains und sah die Protestanten in der Nachfolge Abels, dessen Opfer bei Gott Gefallen gefunden hatte. Im September 1546 erschien die ausgestellte Schrift über die Mordtat durch Francisco de Enzinas, der erstmals als Schüler Melanchthons das Neue Testament ins Kastilische übersetzt hatte. Da das Trientiner Konzil später die Übersetzung der Bibel in eine Volkssprache verboten hatte, dieses Verbot galt bis 1782 in Spanien, wurde die Verbreitung der Übersetzung in dieser Fassung für mehr als 250 Jahre verhindert. Die Mordtat war für die Anhänger der neuen Lehre der Anlass, nicht an dem als ökumenisches Konzil im Dezember 1545 eröffneten Konzil von Trient teilzunehmen. Damit war vor dem Beginn des Schmalkaldischen Krieges eine Möglichkeit zu einer Konfliktbeilegung zerstört. Wenn schon Anhänger der neuen Lehre an ihrem Wirkungsort nicht vor Mordtaten geschützt waren, so konnte dies erst recht nicht, trotz der Inaussichtstellung von freiem Geleit, in altgläubigem Gebiet gewährleistet sein. Kaum wirkungsvoller als durch dieses Exponat kann die Zerrissenheit der christlichen Bekenntnisse in der Mitte des 16. Jahrhunderts gezeigt werden. Die Ausstellung verdient noch bis zu ihrem Abschluss am 5. November das Interesse der an der Geschichte im 16. und 17. Jahrhundert Interessierten. Der qualitätsvolle Katalog sichert ihre Ergebnisse über den Abschluss der Ausstellung hinaus.
Neu-Ulm Ulrich-Dieter Oppitz