Bäuml, Maria Magdalena, Kulturpolitik gegen die Krise der Demokratie

– Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus 1926 – 1933 (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 168). Beck, München 2018. IX, 340 S. Besprochen von Ulrich Dieter Oppitz.

Bäuml, Maria Magdalena, Kulturpolitik gegen die Krise der Demokratie – Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus 1926 – 1933 (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 168). Beck, München 2018. IX, 340 S. Besprochen von Ulrich Dieter Oppitz.

 

Die im Wintersemester 2013/2014 an der Universität in München angenommene Dissertation entstand unter Betreuung Ferdinand Kramers. Die Arbeit beschreibt die Periode, in der Franz Xaver Goldenberger das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus leitete. Die Arbeit knüpft an eine Studie Lydia Schmidts an, welche die Zeit des Amtsvorgängers Franz Matt behandelte. In der Arbeit ist bewusst ein eher klassischer, organisationsgeschichtlicher Zugang gewählt worden. Ein Überblick über die Geschäftsverteilung zeigt die Organisation unter den Zwängen der Staatsvereinfachung und der Finanznot, die zu Reaktionen auf Sparmaßnahmen führte. Die Finanznot ergab sich aus der unzulänglichen Finanzausstattung Bayerns nach der Steuerreform Mathias Erzbergers, welche die Ausstattung der Länder zugunsten des Reiches verringert hatte. Im nächsten Kapitel wird die personelle Ausstattung des Ministeriums beschrieben und die schwierige Nachfolge nach dem Rücktritt Matts im Detail dargestellt. Wenig verwunderlich ist, dass zu diesem Zeitpunkt der frühere Ministerpräsident Eugen von Knilling nicht berücksichtigt wurde, schließlich war der amtierende Ministerpräsident Held angetreten, um die Situation Bayerns, die durch seine Amtsvorgänger beschädigt worden war, zu verbessern. Unter den Kandidaten, die genannt wurden, befanden sich respektable Personen, von denen jedoch manche angesichts der unsicheren Versorgung von ausscheidenden Ministern auf die Ehre einer Ernennung verzichteten. Waren vor Held die Ministerpräsidenten aus dem Kreis der Beamten genommen worden, weil Politiker aus den Fraktionen sich nicht bereitfanden, so wurde auch mit Goldenberger ein Abteilungsleiter des Ministeriums und nicht ein Politiker der BVP-Fraktion ernannt. Diese Personalauswahl zeigt, dass auch 1926 die parlamentarische Demokratie in Bayern nicht so gefestigt war, dass sich ihre Parlamentarier zu Ministeraufgaben, als Verantwortung auf Zeit, bereitfanden. In ihrer Beschreibung der im Ministerium tätigen Beamten bestätigt die Verfasserin Beobachtungen die für alle bayerischen Ministerien galten. Beamte des höheren Dienstes waren meist Juristen, zu dieser Zeit war es bei Juristen noch weitgehend üblich, dass sie während ihres Studiums in studentischen Verbindungen waren. Aus der Schulpraxis wurden gelegentlich Fachreferenten zum Ministeriumsdienst genommen, sie kehrten nach einigen Jahren und einer Beförderung wieder in den Schuldienst zurück. Angesichts der prozentualen Verteilung der bayerischen Bevölkerung von etwa 25 % Evangelischen und etwa 73 % Katholiken spiegelt die von Bäuml festgestellte konfessionelle Verteilung im Ministerium diese Verteilung wider. Eine konfessionelle Verschiebung bei den Beförderungsstellen ist dann dem Leistungsprinzip, welches das Beamtenrecht prägt, geschuldet. Die folgenden Abschnitte zeigen die Entscheidungsprozesse und den Etat des Ministeriums. Hier spiegelt sich die wirtschaftliche Entwicklung deutlich, neben Stellenabbau wurden auch die an die verbliebenen Beamten geleisteten Zahlungen reduziert. Dies war indes keine Besonderheit des Ministeriums sondern dies betraf die Beamten reichsweit. Die Ausführungen hierzu zeigen eine Schwäche der Studie, denn zu wenig sind die Besonderheiten gerade eines bayerischen Ministeriums behandelt. Viele der Darlegungen betreffen Ministerien gleich welcher Aufgabe in jedem beliebigen Teilstaat des Deutschen Reiches. Dies zeigt sich auch im folgenden Kapitel, das die Aufgabenfelder des Ministeriums behandelt. Der Abschnitt zu den Schulangelegenheiten bringt keine Besonderheiten, abgesehen von der wachsenden Bedeutung des Finanzministeriums bei allen Entscheidungen, die Ausgaben nach sich zogen. Der folgende Abschnitt, der den Hochschulangelegenheiten gewidmet ist, beschreibt für die Universitäten und Technischen Hochschulen eine Verminderung ihrer Selbständigkeit, die durch die finanziellen Sparzwänge begründet wurde, aber sich eigentlich bis heute verstärkte. In dem Abschnitt über die Philosophisch-Theologischen Hochschulen wäre es wünschenswert gewesen, ihre Finanzierung darzustellen. In welchem Umfange trugen die bayerischen Diözesen zur Finanzierung bei und welche Mittel stellte der Freistaat zur Verfügung? Bei den zum Aufgabenbereich des Ministeriums zählenden außeruniversitären wissenschaftlichen Einrichtungen stand im Vordergrund die bayerische Akademie der Wissenschaften, neben ihr die wissenschaftlichen Sammlungen des Staates. Bedauerlich ist, dass bei den Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft nicht angegeben ist, in welchem Umfange sie vom Reich eingerichtet und finanziert wurde. Dadurch ist auch nicht ersichtlich, ob ein derartiges Institut auch in Bayern errichtet wurde und welche Anstrengungen von bayerischer Seite unternommen wurde, ein derartiges Institut für Bayern zu gewinnen. Bei der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft sind Bemühungen Bayerns dargestellt, an der Meinungsbildung und damit auch an der Mittelvergabe angemessen beteiligt zu werden. Gerade in diesen Bereichen zeigt es sich, dass in der Bundesrepublik die Mitwirkung der einzelnen Bundesländer auf die Willensbildung dieser Mittlerorganisationen besser strukturiert ist, als dies in der Weimarer Republik mit ihrem Hang zum Einheitsstaat praktiziert wurde. In detailreichen Ausführungen stellt die Verfasserin die Differenzen zwischen Vertretern der katholischen Kirche und der ‚Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde‘, einer sozialistischen  Organisation, dar. Die Stellungnahmen der Ministerialbeamten sind sehr zurückhaltend und angemessen angesichts des erheblichen politischen Zündstoffs der Angelegenheit. In der Kunstpflege, unter die Denkmalpflege, Museen und Theater fielen, suchte das Ministerium trotz der Finanzprobleme eine zweckentsprechende Förderung aufrecht zu erhalten. In der Personalpolitik dieser Einrichtungen versuchten die Akteure Zentralisierungstendenzen, seien sie aus Berlin, seien sie aus München zum Wohle einer gleichmäßigen Verteilung im Freistaat zu begegnen. In dem Absatz über die Phänome der Zeit haben die Kriegsfolgen großen Einfluss. Den besetzten Gebieten der Pfalz galt besonderes Interesse, denn es sollte einmal verhindert werden, dass dieses Gebiet Bayern entfremdet würde. Der Propaganda von französischer Seite sollte angemessen begegnet werden. Anlass zu Feiern bestand schließlich am 1. 7. 1930 als die gesamte Staatsregierung an der Befreiungsfeier in Speyer teilnahm. Mit dem Reich stritt der Freistaat intensiv, als das Reich nach Ende der Besetzung eine finanzielle Förderung einstellen wollte. Bayern konnte erreichen, dass die ‚Reichswesthilfe‘ weiter gezahlt wurde, wenn es auch in den Folgejahren keine Erhöhung der Beträge gab. Der Umgang der Regierung des Freistaats mit dem ehemals regierenden Hause Wittelsbach oblag in vielen Aspekten dem Kultusministerium und war geprägt von einem gegenseitigen Respekt bei Wahrung der protokollarischen Formen. Gezielt förderte der Freistaat die östlichen Grenzregionen, um Versuche von Beeinflussungen zu verhindern. Attraktive kulturelle Strukturen wurden auf bayerischer Seite ebenso finanziell gefördert wie Schulen, Turnhallen und Jugendheime. Bayern hatte 1926 endlich erreicht, dass es wie auch Preußen Reichsmittel der Ostförderung erhielt. Zwar waren dies nur etwa ein Drittel der Mittel Preußens, doch war dies ein erfolgreicher Anfang. Im Rahmen der Förderung der bayerischen Identität wurde auch die Kommission für bayerische Landesgeschichte gegründet (1927) und damit die Herausgeberin der vorliegenden Veröffentlichung. In ihrem Kapitel zum Umgang mit extremistischen Bestrebungen erwähnt die Verfasserin ‚Eingaben und Beschwerden des Freischarführers Schill‘ (S. 271). Nur eine geringe Mühe hätte es gekostet, herauszufinden, daß die damals tätige ‚Freischar Schill‘ von Werner Laß (1902-1999) organisiert worden war und sich lediglich nach dem Offizier Ferdinand von Schill, der am 31. 5. 1809 in Stralsund erschossen worden war, genannt hatte. Für die Verfasserin folgerichtig nennt sie Ferdinand von Schill im Personenregister (S. 427). Im Übrigen zeigt sie, dass die Beamten des Ministeriums auch gegenüber Bestrebungen von extremistischen Gruppierungen angemessen und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten handelten, ein bewusstes Wegschauen fand in diesem Ministerium, wie auch sonst in Bayern, nicht statt. Interessant ist die Feststellung der Verfasserin, dass es die Verantwortlichen für Bayerns Kulturpolitik als einen Standortvorteil ansahen, wenn in den Schulen und anderen Ausbildungseinrichtungen des Freistaats eine qualifizierte Ausbildung gesichert werden konnte. Die Klärung der Hochschulfrage um Weihenstephan ist ein Lehrstück für Interessenpolitik und verdiente aus diesem Grunde die detaillierte Darstellung durch die Verfasserin und wurde nur noch durch die Debatte um den Niedergang Münchens als Kulturstadt gegenüber Berlins übertroffen. Erfolgreiche Ansätze zur Besserung der Ausgangslage Münchens wurden durch den Regierungswechsel 1933 nicht weiterverfolgt. Hatte Thomas Mann noch für ‚München leuchtet‘ geworben, so war er 1933 Emigrant. Leider behandelt die Verfasserin erst zu Ende ihrer Darstellung die Fragen die Kulturpolitik, sowohl der auswärtigen Kulturpolitik wie auch die Fragen der Zusammenarbeit zwischen den Bundesstaaten. Hier zeigt sie die zahlreichen Defizite der damaligen Diskussion auf, die sich dann auch an der Verbreitung der Kenntnisse über den Völkerbund und seine Aufgaben entzündet. Bevor heute jemand diese Debatte als überholt ansieht, möge er sich Gedanken darüber machen, wie die Kenntnis der UNO und der Aufgaben ihrer Unterorganisationen verbreitet werden.

 

Die Arbeit schließt mit Biogrammen der Beamten des Ministeriums. Leider ist diesem Abschnitt nicht die Sorgfalt gewidmet worden, die ihm nach der Gesamtanlage des Buches zugestanden hätte. Wenn bei einzelnen Personen der Personalakt nicht verfügbar war, so hätte über diese Person ergänzende Information aus den allgemein zugänglichen Quellen besorgt werden müssen. Todestage zu finden sollte einer Historikerin möglich sein. Albert Decker schied am 31. 10. 1953 als Senatspräsident des Verfassungsgerichtshofes aus dem Dienst, wieso er 1951 in den dauernden Ruhestand versetzt worden sein soll, ist erklärungsbedürftig. Karl Ernst Haeffner war nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium Syndikus der Universität München, so dass alle weiteren Daten zu finden waren, vielleicht sogar sein Personalakt. Ob Kollmann (S. 363) mit dem Ehrenbürger der Universität München Theodor K. (geb. 12. 11. 1873) identisch ist, wäre zu prüfen gewesen. Der am 20. 4. 1967 verstorbene Dr. Meinzolt (S. 366) erhielt sogar einen Wikipedia-Artikel. Gustav Adolf Viser starb am 5. 8. 1985 und schließlich hat das BHStA die Personalakte des am 4. 4. 1891 geborenen und 1913 promovierten Dr. Zehler. Ist das Verzeichnis der Biogramme noch verbesserungsfähig, so kann dies für das Personenregister nicht gesagt werden, es ist neu anzulegen. In der jetzigen Fassung erlaubt es einiges zu finden, alles jedoch mit großen Fragezeichen. Bereits bei den Biogrammen ist es zufallsbedingt, ob eine Person im Register aufgenommen ist oder nicht. Ist sie aufgenommen, so wie Wonhas (S. 372), so steht sie im Register mit S. 375. Warum Max Buchner und Hans Rall (S. 275 Fn. 325) nicht im Register stehen, bleibt unklar. Gleiches gilt für Hermann Mager (1872-1947) (S. 63), der als Landtagsabgeordneter in das Register gehört hätte. Ärgerlich ist es, wenn für den Reichstagsabgeordneten Hans Rauch (1876-1936) (S. 94, 427) keine Klärung versucht wird. Es ist richtig Pius Dirr im Register zu nennen (S. 425, 231), doch ihn ausfallen zu lassen, weil er Pius Dir (S. 254) geschrieben ist, vermag allein die Verfasserin zu erklären. Es schadet nicht nur der Verfasserin, wenn solche handwerklichen Fehler in großer Zahl vorkommen, es schadet aber auch dem Ruf der sonst geachteten Reihe, wenn Arbeiten mit solchen Fehlern die Druckfreigabe erhalten.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz