Wüst, Wolfgang, Die „gute“ Policey

im Reichskreis. Zur frühmodernen Normensetzung in den Kernregionen des Alten Reiches. Bd. 1 Die „gute“ Policey im Schwäbischen Reichskreis, unter besonderer Berücksichtigung Bayerisch-Schwabens. Akademie Verlag, Berlin 2001. 604 S. Besprochen von Rudolf Endres. ZRG GA 121 (2004)

Wüst, Wolfgang, Die „gute“ Policey im Reichskreis. Zur frühmodernen Normensetzung in den Kernregionen des Alten Reiches. Bd. 1 Die „gute“ Policey im Schwäbischen Reichskreis, unter besonderer Berücksichtigung Bayerisch-Schwabens. Akademie Verlag, Berlin 2001. 604 S.

 

Das Policeywesen der frühen Neuzeit hat in den letzten Jahren wieder verstärkte Beachtung in der Forschung gefunden. Konsens besteht in der Regel darin, dass der Begriff gegen Ende des 15. Jahrhunderts auftaucht und bis in die Zeit der Industrialisierung obrigkeitliche Regulierungstätigkeiten umschreibt. Auf dem Reichstag zu Augsburg von 1530 wurde die später so bezeichnete „Reichspoliceyordnung“ verabschiedet, die 1548, 1551 und 1577 „reformirt und gebessert“ wurde und unverändert als ein „Grundgesetz“ bis zum Ende des Alten Reiches im Jahre 1806 in Kraft blieb. Gleichzeitig mit den Initiativen des Alten Reiches entwickelten auch die Reichsstädte, Fürsten, Grafen, Äbte und Freiherren ihre Vorstellungen von der Welt der Normen und Werte, wobei sie vielfach an die Vorgaben der Reichsgesetze anknüpften. Inhaltlich umfassten die Ordnungen eine diffuse thematische Weite und Breite, die von den Maßnahmen gegen das schuldenfördernde „fressen und sauffen“ in öffentlichen Gasthäusern und insbesondere bei Hochzeiten, Taufen oder Kirchweihen, von Strafandrohungen gegen Ehebruch, Fluchen und Gotteslästern, gegen Kleiderluxus und Spielleidenschaft reichten, bis hin zur Seuchenbekämpfung und Katastrophenprävention. In katholischen wie vor allem lutherischen Policeystatuten warnte man zudem vor der „entheiligung“ der Sonn- und Feiertage und vor dem Versäumen des Gottesdienstes durch Wirtshausbesuch oder durch Gewerbe- und Erntearbeiten. In seiner umfangreichen Einleitung hebt der Editor die Bedeutung der Policeyordnungen für die Entstehung frühmoderner Staatlichkeit hervor, insbesondere für die Konfessionalisierung, Sozialdisziplinierung und herrschaftlich-administrative Verdichtung. Konfession und Policey bildeten in vielfacher Hinsicht eine Einheit, wie Wüst an zahlreichen Beispielen aus den Statuten belegen kann. Dies gilt auch für das breite Feld der Sozialdisziplinierung, wobei diese nicht nur die Sittenzucht umfasste, sondern auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bereiche und Fragen, wie Regelungen im Handwerk oder im ländlichen Ehaftsgewerbe einschloß. Die frühmoderne Policey duldete keine rechtfreien Räume und drang deshalb bis auf die lokale Ebene vor, wie Wüst betont. Dabei geht er nicht nur der Frage nach, wie sich die policeyliche Regulierungstätigkeit und Normensetzung in den größeren Territorien durchsetzen ließ, sondern auch wie die Verfassungswirklichkeit in den Kleinterritorien aussah und sogar in den „territoria non clausa“.

 

Die Edition versucht mit konkreten Beispielen aus unterschiedlichen Territorien des Schwäbischen Reichskreises die ganze Bandbreite frühmoderner Ordnungspolitik offen zulegen. Die hierfür ausgewählten repräsentativen Quellen machen den Hauptteil des Werkes aus. Sie umfassen für die Reichsstädte im Schwäbischen Reichskreis fünf Policey-Ordnungen und drei für die Klöster, Stifte und Spitäler. Die geistlichen Reichsstände sind mit acht Statuten vertreten und die weltlichen Staaten mit neun Ordnungen, darunter eine Policeyordnung aus der Reichsritterschaft und ein Polizeipatent des Schwäbischen Kreises gegen Bettler und Gauner. Hohes Lob verdient das umfangreiche Glossar, das die Lektüre und das Verständnis der Quellen (ganz wesentlich erleichtert und vor allem das aufwendige Nachschlagen in entsprechenden Wörterbüchern erspart. Insgesamt eine gewichtige und überfällige Edition repräsentativer Quellen zur frühmodernen „Ordnungspolitik“ im Schwäbischen Reichskreis. Auf den angekündigten nächsten Band darf man gespannt sein.

 

Buckenhof                                                                                                                  Rudolf Endres