Fenske, Hans, Auf dem Weg zur Demokratie.
Wie die Einzelmenschen, so haben auch die Horden, Völker und Staaten sowie anderen menschlichen Gestaltungen ihre jeweils eigene besondere Geschichte, von der an ihrem Beginn nicht abzusehen ist, wie sie verlaufen und enden wird. An der Wende des Altertums zu dem Mittelalter sind aus den vielen Stämmen der Germanen über die Franken die Deutschen geworden, ohne dass ihre ersten Vertreter ahnen konnten, dass auch noch nach mehr als 1000 Jahren eines Tages eine Bundesrepublik bestehen könnte. Ebensowenig, dass Österreich, die Schweiz, die Niederlande, Luxemburg oder Liechtenstein eines Tages von einem Streben nach deutscher Einheit nicht mehr erfasst sein würden, während eine besondere Deutsche Demokratische Republik unerwartet nur vorübergehenden Bestand haben könnte.
Auch wenn ein politisches Ergebnis nicht stets sicher vorhersehbar ist, hat es sich aber für den Menschen doch bewährt, einen geschehenen Ablauf festzuhalten und zu erklären zu versuchen. Dies führt der in Geesthacht 1936 mit westpreußischen und ostfriesischen Wurzeln geborene, in Tübingen und Freiburg im Breisgau von 1956 bis 1963 in Geschichte, Geographie und politischen Wissenschaften ausgebildete, 1965 mit einer von Erich Hassinger betreuten Dissertation über Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918 promovierte, 1971 mit einer Schrift über Wahlrecht und Parteiensystem ebenfalls in Freiburg im Breisgau für neuere und neueste Geschichte habilitierte und in der Folge zahlreiche Werke zur deutschen Geschichte veröffentlichende Verfasser in dem vorliegenden Band für das Streben nach deutscher Einheit zwischen 1792 und 1871 durch. Er geht in seinem kurzen Vorwort davon aus, dass mit der Erklärung Kaiser Franz II. auf Drängen Napoleons unter Hinweis auf die wenige Tage zuvor erfolgte Gründung des Rheinbunds durch sechzehn westdeutsche und süddeutsche Fürsten abgegebene Erklärung, dass er das reichsoberhauptliche Amt als erloschen betrachte, sich deshalb von allen Pflichten gegenüber dem Reich losgelöst sehe und die kaiserliche Würde niederlege, der Wunsch der Deutschen nach staatlicher Zusammengehörigkeit natürlich nicht aufgehört habe, sondern in dem Gegenteil in der Folge sehr an Kraft gewonnen habe.
Gegliedert ist diese konzentrierte Nachzeichnung einer sehr wichtigen Entwicklungslinie in insgesamt siebzehn Sachabschnitte. Sie betreffen das Ende des alten Reiches, acht Jahre voller Kämpfe, die Neuordnung Deutschlands, den Deutschen Bund in den ersten Jahrzehnten, den Reichsgründungsversuch der Paulskirche, das preußische Unionsprodukt, Bismarck und die deutsche Frage 1851-1863, den dänischen Krieg 1864, den Zusammenprall zwischen Österreich und Preußen, die Gründung des Norddeutschen Bundes, die Luxemburgkrise 1867, die deutsche Frage 1867-1870, die spanische Thronfolgefrage, die Julikrise 1870, den Krieg mit Frankreich und die Gründung des Deutschen Reiches. Wem immer neben seinem persönlichen Wohlergehen auch das Wohl des ihn umgebenden Volkes an dem Herzen liegt, erhält durch diese Darstellung unter idealisierender demokratischer Zielsetzung einen klaren und kurzen Überblick über wichtige hundert Jahre Geschichte des Volkes der Deutschen, ehe es durch Überheblichkeit und Kriege nach außen und geistige Aufgabe sowie luxuriösen, konsumptiven Egoismus im Inneren zunehmend so gefährdet wurde, so dass seine Zukunft kaum mehr absehbar ist.
Innsbruck Gerhard Köbler