Letzte Worte, letzter Wille. Nachwirkungen und Nachwelten, hg. v. Gruber, Malte-Christian/Müller, Sabine
Der erste Mensch starb ohne letzte Worte, weil er noch nicht sprechen konnte, und seinen letzten Willen kennt die Gegenwart nicht, weil sie nicht weiß, ob er einen hatte, und Willen bisher nur in Erklärungen sichtbar werden, die für ihn nicht nachgewiesen werden können. Seitdem hat der Mensch sich in langer Entwicklung in vielen Hinsichten verändert. Er hat in zahlreichen Momenten seines Lebens einen klaren Willen und kann diesen durch Erklärung mündlich, schriftlich und in sonstiger Weise für andere verständlich äußern. Dementsprechend kann ein letzter Wille bei dem Tode eines Menschen beachtlich sein oder nicht und beachtet werden oder nicht.
Mit einem besonderen Teilaspekt der letzten Worte und des letzten Willens befasste sich die Frankfurter Jahrestagung der in dem Internet als solche anscheinend nicht in dem Vordergrund greifbaren Kritischen Reihe an dem 25. und 26. Juli 2014. Dabei zeigte sich nach dem kurzen Vorwort der in Luzern und Marburg tätigen Herausgeber, dass letzte Worte und letzter Wille niemals endgültig sind, sondern über den Zeitpunkt ihrer Erklärung und intendierten Geltung hinauswirken. Dementsprechend sind nach einem Editorial „Eigensinnige Schwachheiten“ der Herausgeber acht Beiträge in drei Abteilungen zusammengefasst veröffentlicht.
In der Abteilung was bleibt – letzte Worte werden das letzte Wort in dem Strafverfahren und an dem Beispiel der letzten Worte eines Managementpapsts die Reduktion eines Lebenswerks auf einen Begriff betrachtet. Die drei Beiträge der zweiten Abteilung widmen sich der Erfindung der ergänzenden Testamentsauslegung durch das Reichsgericht zwischen Gesetzespositivismus, Freirechtsschule und Interessenjurisprudenz, der Rechtskonstruktion der hypothetischen Einwilligung aus medizinstrafrechtlicher Sicht und interessanten Problemen von Gehirnexperimenten und Gedankenexperimenten der möglicherweise persönlichkeitsverändernden Tiefengehirnstimulation. Bei den Kommunikationsformen von Testament und Erbschaft werden Erbschaften an Rom durch Herrschertestamente, ein Strukturwandel in der Literatur des 19. Jahrhunderts hinsichtlich des (un)erwünschten Erbe(n) und das Thema it sems a pity, but i do not think I can write more hinterfragt, so dass insgesamt unter dem Umschlagbild des (seinen Willen nicht kundgebenden?) Schlittenhunds Chris vor einem Grammophon während Robert Falcon Scotts zu dem Tode fünfer Männer führenden missglückten Terra-Nova-Expedition in der Antarktis von 1911 ein bunter Strauß vielfältiger Gedanken zu der Bindung der Adressaten letzter Worte und der Unabhängigkeit eines letzten Willens von einem Tode eines Menschen aus juristischer, rezeptionsgeschichtlicher, rechtshistorischer, althistorischer, literaturwissenschaftlicher und kunstgeschichtlicher Sicht geflochten wird.
Innsbruck Gerhard Köbler