Das Wichtigste ist der Mensch
KaufholdDaswichtigste20000921 Nr. 10093 ZRG 118 (2001)
Das Wichtigste ist der Mensch. Festschrift für Klaus Gerteis zum 60. Geburtstag, hg. v. Giebmeyer, Angela/Schnabel-Schüle, Helga (= Trierer historische Forschungen 41). Zabern, Mainz 2000. XVI, 663 S.
Zwei Vorbemerkungen seien dem Rezensenten gestattet. Die erste bezieht sich auf Festschriften allgemein. Bis vor etwa dreißig Jahren waren sie eine Seltenheit und wurden nur in einem Fach ganz herausragenden Gelehrten gewidmet, seitdem breiten sie sich stärker aus. Immer noch setzen sie freilich Verdienst um ein und vor allem Ansehen in einem Fach voraus und sind erfreulicherweise noch nicht zu etwas Alltäglichem geworden. Nicht zuletzt bieten sie in einer Zeit, die eine umfangreiche Publikationstätigkeit vor allem bei jüngeren Fachvertretern schätzt, ja fordert, eine prominente Veröffentlichungsgelegenheit. Die zweite bezieht sich auf den Tätigkeitsort des Geehrten, die Universität Trier, und führt damit unmittelbar zur vorliegenden Arbeit hin: Unter den zahlreichen neu gegründeten Hochschulen aus einer Zeit, in der Deutschland auf Expansion und nicht auf Reduktion der akademischen Bildung setzte, hat es Trier und hat es vor allem die dortige Geschichtswissenschaft verstanden, durch innovative Leistung Ansehen zu gewinnen ‑ ein Ergebnis nicht zuletzt des erfolgreichen Sonderforschungsbereichs „Zwischen Rhein und Maas“.
Damit sind wir bei der Klaus Gerteis zum 60. Geburtstag gewidmeten umfangreichen Festschrift. Gerteis ist ein „echter Trierer“, jedenfalls akademisch gesehen. Zwar in Frankfurt am Main geboren und dort mit einer Studie über Leopold Sonnemann promoviert, habilitierte er sich in Trier und blieb seither dieser Universität treu. Mir scheint hier eine Erklärung für die Effizienz der dortigen Geschichtswissenschaft zu liegen: Selbstverständlich steht sie mit anderen Hochschulen durch Berufungen im Austausch, zog an und gab ab, doch bildeten einige ihrer Vertreter ‑ zu denen Gerteis gehört durch ihr Bleiben am Ort einen Kern, der Grundmuster gemeinsamer Arbeit pflegte und sie im Dialog mit den Hinzutretenden weiterbildete.
So überrascht es nicht, dass auch diese Festschrift weithin, wenn man so sagen darf, ein „Trierer Erzeugnis“ ist. Ihre 32 Beiträge stammen fast ausschließlich von Autoren, die dort arbeiten oder gearbeitet haben, darunter viele junge. Sie belegen in ihrer inhaltlichen und methodischen Spannweite die Vielgestaltigkeit der Trierer Geschichtswissenschaft und deren ebenso breit angelegte wie differenzierte Arbeitsgebiete.
Es ist nicht möglich, hier alle Beiträge zu würdigen, und eine Auswahl verbietet ihr durchgängig gutes Niveau. So begnüge ich mich mit einer Charakterisierung einiger Grundzüge. Zeitlich stehen entsprechend dem Forschungsschwerpunkt der Trierer Geschichtswissenschaft (und des Jubilars) Mittelalter und frühe Neuzeit im Vordergrund; Antike und 19./20. Jahrhundert sind deutlich weniger vertreten. Auch räumlich tritt der „Trierbezug“ des Buches hervor: Westdeutschland, besonders der Rhein-Mosel‑Raum, Luxemburg und das östliche Frankreich sind die wichtigsten Untersuchungsgebiete, doch fehlen auch Indonesien und Ruanda (Rwanda) nicht. Die sachliche Breite beeindruckt, denn nahezu alle Arbeitsgebiete der Geschichtswissenschaften sind vertreten, ferner Germanistik, Geographie, Philosophie und Staatsrecht. Hervorzuheben ist auch, dass viele Beiträge Themen aus Grenzbereichen behandeln.
Aus der häufigen Erwähnung der Universität Trier in dieser Besprechung darf nicht gefolgert werden, das Buch sei nur für den mit dieser verbundenen Leser von Interesse. Im Gegenteil enthält es zahlreiche Arbeiten, die grundsätzliche Fragen vor allem der historischen Fächer anregend und weiterführend behandeln. In diesem Zusammenhange sei abweichend von meiner sonstigen Enthaltsamkeit hinsichtlich der Einzelbeiträge wenigstens auf einen davon hingewiesen: „Das Web-Paradigma. Alte Wissenschaft im Tor zur schönen neuen Welt“ (Michael Trauth). Glänzend geschrieben, ist er für alle Geisteswissenschaftler lesens- und bedenkenswert, die mit Elektronischer Datenverarbeitung und Internet zu tun haben ‑ und wer hätte das nicht?
„Das Wichtigste ist der Mensch“: Mit Recht betonen die Herausgeberinnen im Vorwort, damit sei der Kern von Gerteis’ Wirken und seines Werkes bezeichnet, und sie begründen dies in eindrucksvollen Ausführungen.
Letztlich aber ist der ganze, wohlgelungene Band zu einer schönen Ehrung für ihn ‑ und zugleich zu einer vielfach anregenden Lektüre für den historisch Interessierten‑ geworden.
Göttingen Karl Heinrich Kaufhold