Die Regesta Imperii im Fortschreiten und Fortschritt

*. J. F. Böhmer, Regesta Imperii (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 20), hg. v. Zimmermann, Harald. Böhlau, Köln 2000. Besprochen von J. Friedrich Battenberg. ZRG GA 118 (2001)

BattenbergDieregesta20000907 Nr. 10130 ZRG 118 (2001)

 

 

Die Regesta Imperii im Fortschreiten und Fortschritt. J. F. Böhmer, Regesta Imperii (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 20), hg. v. Zimmermann, Harald. Böhlau, Köln – Weimar – Wien 2000, 158 S.

Vorliegender Band bedarf, obwohl nicht eigentlich rechtshistorischen Inhalts, einer Anzeige in dieser Zeitschrift, weil das seit Jahrzehnten bearbeitete monumentale Nachweiswerk zur Erfassung der Kaiserurkunden namentlich des Mittelalters auch für die rechtshistorische Forschung von grundlegender Bedeutung ist. Waren die Regesten der Kaiserurkunden aus der Feder ihres ersten Bearbeiters, Johann Friedrich Böhmer, nicht mehr als ein Inventar und Hilfsmittel zur besseren Heranführung an die gedruckten und ungedruckten Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiser, und erfassten sie deshalb auch diejenigen Quellen, die zur Kaisergeschichte Auskunft gaben, ohne selbst in der kaiserlichen Kanzlei entstanden zu sein, so haben sich die zu „Vollregesten“  erweiterten neuen Inventarwerke geradezu zu selbständigen Quellenwerken gemausert. Sie erheben den Anspruch, die überlieferten und auch verlorenen, aber mittelbar nachgewiesenen Urkunden der römisch-deutschen Kaiser und Könige, und nur diese, soweit als möglich vollständig zu erfassen. Deshalb ist man zu der als Notlösung begonnenen fondsweisen Regestierung einzelner Archive und Quellenkörper gekommen, um die so entstandenen Einzelhefte am Ende zu einem Gesamtwerk zusammenzufassen. Die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung der Regesten, die auch nachträglich durch Einscannen der bereits gedruckten Texte geleistet werden kann, versetzt die Herausgeber in die Lage, dieses Gesamtwerk sukzessive zu erweitern, zu korrigieren und den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Insbesondere für die Regesten der Kaiser Ludwig der Bayer und Friedrich III., hinsichtlich derer die Erfassung bislang am weitesten fortgeschritten ist, könnte die digitalisierte Fassung der Regesta Imperii am ehesten realisiert werden.

Der hier vorgelegte Sammelband, der zu Regesten und zur Regestentechnik auch über das konkrete Projekt der Regesta Imperii Auskunft geben will, führt die Diskussion weiter, die der Herausgeber mit seinem 1996 in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz gehaltenen Vortrag - und hier als Referat abgedruckten Text - unter dem Titel „Verschiedene Versuche, Vergangenheit vollständig zu vermitteln“ eingeleitet hat. Folgerichtig schließen sich an diesen, die Form einer problemorientierten Einleitung präsentierenden Beitrag, einige wiederabgedruckte, ältere Beiträge zu den Möglichkeiten und Grenzen der Regestentechnik an, die - wenn überhaupt - nur noch Archivaren und Vertretern der Historischen Hilfswissenschaften an den Universitäten bekannt sind: Zwei Stellungnahmen Johann Friedrich Böhmers von 1831 und 1853, Eine Kontroverse Harold Steinackers und Karl Uhlirz’ zu Fragen der Regestentechnik, die 1913 in den Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung ausgetragen wurde, Überlegungen Aalfred Hessels zur Geschichte der Regesten (1928) und Hanns Leo Mikoletzkys zu Regesten und Regestentechnik (1950). Die im Anschluss daran wiederabgedruckten „Richtlinien für die Regestierung von Urkunden“ von 1978 werden bis heute von Archivaren bei der Erfassung des urkundlichen Quellenmaterials beachtet, auch wenn die damit verbundene und in jedem Fall wünschenswerte Tiefenerschließung des älteren archivischen Materials nur noch selten und meist nur noch unter Einsatz von Drittmitteln geleistet werden kann. Die letzten vier Beiträge - davon drei auf Referaten des Frankfurter Historikertages von 1998 basierend - führen die ältere Diskussion unter Einbeziehung der modernen Probleme weiter: Herbert Zielinski berichtet „Über Italien um 900 im Spiegel der Regesta Imperii“, denen er Beobachtungen zur äußeren Form und zum Bearbeitungsschema der Regesten im Wandel der Zeit beigibt; Johannes Mötsch, der selbst als Bearbeiter des vielbändigen Werks der Regesten der Grafen von Sponheim umfangreiche Erfahrungen hat sammeln können, informiert über „Vorteile und Grenzen der Regestentechnik“. Paul-Joachim Heinig stellt sich mit seinem Aufsatz der „Herausforderung der ‘Neuen Medien’ (CD-Rom, Bildplatte und Internet)“ und diskutiert damit zukünftige Gestaltungsfragen und Publikationsformen am Beispiel der Regesta Imperii. Michael Menzel schließlich legt unter dem Titel „Die Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern“ eine Zwischenbilanz dieses Projekts vor.

Alles in allem liegt damit ein abgerundeter Band vor, der die Wandlungen in der Präsentation historischer Quellen deutlich machen kann und damit zugleich zum Inhalt moderner Regestenpublikationen hinführt. Dies erscheint deshalb besonders verdienstlich, weil bei der zunehmenden Masse einschlägiger urkundlicher Quellen im Spätmittelalter in den meisten Fällen Volltexteditionen kaum noch zu leisten sind, und auch für die analytische historische Arbeit auf die Originale nur noch selten zurückgegriffen werden kann. Es hätte sich eigentlich angeboten, das thematische Spektrum des Bandes durch einen Beitrag zu den inzwischen in acht Bänden (der Zeit bis 1364) vorliegenden, ebenfalls von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz betreuten „Urkundenregesten des deutschen Königs- und Hofgerichts“ zu ergänzen, da damit die rechtshistorischen Besonderheiten juristisch relevanter Quellen hätten deutlich werden können. Diese Anmerkung tangiert jedoch nicht den Wert des Bandes als Beitrag zur hilfswissenschaftlichen Grundlagenforschung der Mittelaltergeschichte.

Darmstadt                                                                                          J. Friedrich Battenberg