Bruttmann, Tal/Hördler, Stefan/Kreutzmüller, Christoph, Die fotographische Inszenierung des Verbrechens –

Ein Album aus Auschwitz, mit einem Vorwort von Klarsfeld, Serge. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2019. 304 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIEr 9 (2019) 72. IT

Seit seiner Entstehung kann der Mensch wie manche anderen Lebewesen Sinneseindrücke in seinem Gedächtnis speichern und anders als andere Lebewesen seit der Erfindung der Sprache und der Schrift in Laute und Zeichen fassen und dadurch aufbewahren und an sprachkundige sowie lesekundige Mitmenschen vermitteln. Wegen der damit verbundenen Mühen wird freilich nur ein Bruchteil des tatsächlichen Geschehens auf diese Weise festgehalten und ist zudem der Laut flüchtig und das Gedächtnis vergänglich. Deswegen entstehen viele Wissenslücken, die aber teilweise mit Hilfe noch modernerer, von Menschen entwickelter Verfahren vermindert werden können, wie dies seit der Erfindung des Lichtbilds möglich ist.

 

Mit einem Teilaspekt dieser zusätzlichen Möglichkeit beschäftigt sich der von den in Frankreich, Göttingen und Berlin tätigen Forschern vorgelegte eindrucksvolle Band. Er verfolgt die Geschichte des von Lili Jacob (verheiratete Lilly Zelmanovic 1926-17.12. 1999) aus Bilky/Ungarn, die selbst mehr als fünf Monate Häftling in dem Konzentrationslager Auschwitz gewesen war, nach ihrer Haft in dem Konzentrationslager Dora-Mittelbau in einer verlassenen Kaserne der SS entdeckten Fotoalbums. Es enthält unter Ausblendung der Ermordung Bilder der nationalsozialistischen Fotografen Bernhard Walter und Ernst Hofmann über die tatsächlichen Abläufe in dem Lager Auschwitz-Birkenau.

 

Gegliedert ist die akribische Darstellung nach einem Vorwort Serge Klarsfelds, der ab 1980 das Album veröffentlichte, und einer Einleitung über die fotografische Inszenierung des Verbrechens in drei Teile. Sie betreffen die Entstehung und Geschichte des Lili Jacob-Albums mit dem Kontext der Umsiedlung der Juden aus Ungarn und der Bewahrerin, den Fotografen und dem Album, das Lili Jacob-Album und eine Analyse der Fotos des Albums, aus der sich durch Rekonstruktion Serien ergeben über Zwielicht, Ausstieg auf der Rampe, eine erste Selektion, eine zweite Selektion, eine dritte Selektion, Abseits, im Wäldchen, Lagerarbeiten I, Lagerarbeiten II, Frauen bei der Einkleidung und Ausrüstung, das Lager und das Ende. Der Anhang der bedeutsamen vollständigen Darlegung bietet eine Konkordanz der Fotos und Kapitel des Albums, Abkürzungen, ein Quellenverzeichnis und Literaturverzeichnis sowie ein Personenregister von Adorno über Himmler, Hitler, Hofmann, Jacob und Walter bis Ziereis.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler