Quellen, Nachbarschaft, Gemeinschaft –

Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Kulturgeschichte Zentraleuropas unter Mitwirkung von Wurster, Herbert W. hg. v. Krah, Adelheid. Böhlau, Wien 2019. 301 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 00. IT

Nach dem Vorwort der Herausgeberin des vorliegenden Sammelbands wird die Jahrhunderte alte gemeinsame Geschichtstradition Zentraleuropas auf vielfältige Weise in den modernen Archiven der Länder der einzelnen Nationen aufbewahrt und an ihren Universitäten gelehrt, weil sie ein wesentlicher Bestandteil der Einheit Europas ist. Dem ging als Folge unglücklicher Kriege eine Zeit der Trennung durch einen weltanschaulichen wie tatsächlichen Vorhang in einen sozialistischen Osten und einen liberalistischen Westen voraus, der lange Zeit dauerhaft und kaum durchdringlich erschien. Sowohl der natürliche Verfall wie auch die menschliche Einsicht haben nach vielen Jahrzehnten aber 1989 doch sein plötzliches und unvorhergesehenes Ende bewirkt.

 

Als wissenschaftliche Folge dieses wichtigen Wandels entstand in den letzten Jahren auch ein Zusammenschluss internationaler Forschergruppen und Forscherinnengruppen in Projekten der europäischen Gemeinschaft zu der Erschließung von Schriftquellen benachbarter Länder und Großregionen. Ein Teil dieser so entwickelten Scientific Community zu der Erforschung der Geschichte Zentraleuropas ist die von der 2002 habilitierten Herausgeberin seit 2014 geleitete internationale Arbeitsgruppe En route to a shared Identity mit mehr als zwanzig Forschern und Forscherinnen an Universitäten, Archiven und Bibliotheken in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Österreich und Deutschland, die in mehreren Tagungen in Wien das bisherige Wissen deutlich erweitern konnte. Um die Ergebnisse der Jahre von 2014 bis 2017 der wissenschaftlichen Öffentlichkeit allgemein zugänglich zu machen, bot sich neben einem Blog auch eine zusätzliche Veröffentlichung in einem Sammelband an.

 

Dieser enthält zwölf in drei Abschnitte gegliederte Einzelstudien zu vielfältigen Fragestellungen. Er beginnt mit einer Untersuchung der Herausgeberin über inszenierte Gemeinschaften in dem frühmittelalterlichen Bayern und führt über Zeugennetzwerke des 16. Jahrhunderts in Ungarn, testamentarische Einzelurkunden aus Pressburg, einen Werkstattbericht über Urkunden als Netzwerk, eine schwierige Nachbarschaft um das Bistum Passau in dem neunten Jahrhundert, die Anfänge der Angleichung der Gesellschaft der Ungarn an den lateinischen Westen, Paul von Forchtenstein in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, Budapest zwischen 1870 und 1910, die mittelalterliche Universität Wien, die Kavalierstouren Hans Christoph Teufels und Georg Christoph Fernbergers und Karten der geographischen Institute der Universitäten Wien und Berlin bis zu der Aufklärung in dem Fürstbistum Passau zwischen Archiv und Zwang. Möge den vielfältigen Erkenntnissen der zehn Autoren aus Wien, Vilshofen, Augsburg, Eisenstadt, Budapest und Leonding über die gut funktionierende Kultur sozialer Gemeinschaft und transregionalen Ausgleichs anhaltender Erfolg beschieden sein.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler