Hummer, Waldemar/Vedder, Christoph/Lorenzmeier, Stefan, Europarecht in Fällen.

Die Rechtsprechung des EuGH, des EuG und deutscher und österreichischer Gerichte. 7. Aufl. Nomos u. a., Baden-Baden. 2020. XXXI, 918 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 10 (2020) 88. IT

Als „Europarecht in Fällen“ im Jahr 1991, d. h. vor 28 Jahren, in erster Auflage veröffentlicht, erscheint die aktuelle Judikatursammlung der Gemeinschafts- bzw. Unionsgerichte bereits in ihrer 7. Auflage. Gegenüber den 105 in der Erstauflage dargestellten Fällen, umfasst die gegenständliche Fallsammlung nunmehr 307 ausgearbeitete Fälle sowie weitere einschlägige 110 Fälle, auf die mit Zitaten hingewiesen wird. Sie stellt daher eine der umfangreichsten Übersichten über die Judikatur der Gerichte der Europäischen Gemeinschaften (EG) bzw. der Europäischen Union (EU) dar. Dabei wurde bewusst auch die frühere Judikatur dieser Gerichte erfasst, da diese in den späteren Judikaten derselben immer wieder anlassbezogen zitiert wird.

 

Die Fallsammlung wendet sich an alle mit dem Recht der Europäischen Union sowohl theoretisch, als auch in der Praxis, befasste Juristen in Gerichten, Anwaltskanzleien, Verwaltungsbehörden und Unternehmen. Eine besondere Bedeutung kommt ihr aber im Rahmen der Juristenausbildung im Fach „Europarecht“ zu, das in der Bundesrepublik gemäß den Vorgaben des Deutschen Richtergesetzes in wesentlichen Bereichen Pflichtfachstoff, und darüber hinaus Schwerpunktbereichsstoff für das juristische Studium ist. In den meisten Ländern ist es als Teilbereich eines Wahlfachs auch im Rahmen der Referendarausbildung verankert. In Österreich ist das Europarecht seit 2001 an allen Rechtswissenschaftlichen Fakultäten von einem Wahlpflichtfach zu einem Pflichtfach in der Juristenausbildung erhoben worden.

 

Die bloße Kenntnis des Primärrechts und Sekundärrechts der Europäischen Union lässt die Dynamik und den Entwicklungsstand des Unionsrechts kaum erahnen. Dafür ist ein solider Überblick über die Judikatur der Gerichte in der Europäischen Union absolut notwendig, wurden mit dieser doch - durch eine weitgespannte systematische und teleologische Auslegung der Gründungsverträge der Europäischen Union - eine Reihe grundlegender Rechtsinstitute, wie beispielsweise der Anwendungsvorrang des Unionsrechts, die mögliche unmittelbare Wirkung desselben zugunsten Einzelner, der Äquivalenzgrundsatz, die Staatshaftung der Mitgliedstaaten, die Ausdifferenzierung des Rechtsschutzes, die Konkretisierung von Unionsgrundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen u. a. m. näher ausgestaltet bzw. überhaupt erst entwickelt.

 

Besondere Mühe haben sich die Verfasser im Hinblick auf eine leichte Handhabung der umfangreichen Fallsammlung gegeben. Zum einen gibt es sehr nützliche „Hinweise zur Benutzung“ (S. VII-X), in denen die Konzeption der Fallsammlung und die Art der Darstellung der Fälle näher erklärt werden, und zum anderen erleichtert eine detaillierte Inhaltsübersicht (S. XI-XXXI) die thematische Zuordnung der einzelnen Judikate und damit deren rasche Auffindbarkeit. Darüber hinaus enthält der Sammelband ein umfassendes Judikaturverzeichnis (S. 901-908), das nicht nur chronologisch geordnet ist, sondern in dem auch durch Fettdruck die didaktisch besonders aufbereiteten Hauptfälle hervorgehoben werden. Darin sind neben den Urteilen des Gerichtshofs (EuGH) auch dessen wichtigste Gutachten sowie ausgewählte Urteile des Gerichts erster Instanz (EuG) sowie Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie deutscher (Bundesverfassungsgericht, Bundesverwaltungsgericht, Bundesgerichtshof) und österreichischer Höchstgerichte (Verfassungsgerichtshof) enthalten. Ein detailliertes Stichwortverzeichnis (S. 909-918), in dem neben materiellen Stichworten auch die gesamte Anzahl der zitierten Fälle aufgeführt ist, rundet die Hilfsquellen zur raschen Auffindung der einzelnen Judikate ab.

 

Die gegenständliche Fallsammlung, die sich auf dem Stand von Juni 2019 befindet, stellt nicht nur eine der aktuellsten und umfangreichsten Judikatursammlungen der supranationalen Gerichte im Schoß der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Europäischen Union dar, sondern bietet in ihrer akribischen Darstellung und Aufbereitung der einzelnen Rechtssachen eine wahrhaft unerschöpfliche Fundgrube an juristischen Erkenntnissen, ohne die das Europarecht in seiner gesamten rechtsdogmatischen Dimension nicht mehr verstanden werden kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler