Mittelalterliche Handschriften und Fragmente der ehemaligen Reichsgerichtsbibliothek

in der Bibliothek des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig, beschrieben von Eifler, Matthias. Harrassowitz, Wiesbaden 2020. XXXIX, 293 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 10 (2020) 33. IT

Vor der Erfindung des Druckes von Büchern mit beweglichen Lettern konnten Texte nur mittels der mit der Hand des Menschen ausgeführten Schrift in grundsätzlich jeweils nur einem einzigen Exemplar festgehalten werden, wobei ein Schreiber möglicherweise täglich etwa sieben Seiten herstellen konnte. Die Zahl der in dem Mittelalter in dem deutschen Sprachraum angefertigten Handschriften wird dabei auf rund zwei Millionen geschätzt, von denen mehr als die Hälfte in dem 15. Jahrhundert geschrieben wurde. Von ihnen sollen noch rund 120000 vorhanden sein, davon weitaus die meisten in lateinischer und nur etwa 12000 in deutscher Sprache.

 

Nach der sachkundigen Einleitung des vorliegenden Werkes werden nach einer Erhebung der sechs deutschen Handschriftenzentren des Jahres 2008, deren Ergebnisse gut greifbar unter http://www.manuscripta-mediaevalia.de//area/2/Handschriftensammlungen.html veröffentlicht sind, werden etwa 54000 von insgesamt 60000 mittelalterlichen Handschriften in Deutschland in großen wissenschaftlichen Bibliotheken sowie in Archiven und Museen aufbewahrt, wobei die wissenschaftliche Katalogisierung in den Sammlungen mittlerer Größe mit hundert bis fünfhundert mittelalterlichen Handschriften weitgehend abgeschlossen ist und bei den größeren Sammlungen zumindest umfangreiche Bestandssegmente schon gut erschlossen sind. Dennoch ist das angestrebte Ziel noch längst nicht erreicht, so dass die Allgemeinheit für jede ihm dienliche Leistung sehr dankbar sein muss.

 

Bei der vorliegend erfassten historischen Sammlung der Bibliothek des Reichsgerichts des Deutschen Reiches handelt es sich nicht um einen über die Jahrhunderte stetig gewachsenen Bestand, sondern um durch antiquarische Erwerbungen in dem letzten Viertel des 19. und in dem frühen 20. Jahrhundert erlangte unterschiedliche Materialien hauptsächlich juristischer Literatur, deren älteste vollständige Handschrift nach den Erkenntnissen des Bearbeiters die an der Wende des 12. Jahrhunderts zu dem dreizehnten Jahrhundert in Oberitalien wohl in Bologna verfasste Handschrift MS 2° H 2328 des Decretum Gratiani ist und deren älteste datierte Handschrift aus dem Jahre 1339 stammt, während das älteste, in das ausgehende 8. Jahrhundert  zu setzende Fragment in der Gegenwart nicht mehr vorhanden ist. Insgesamt umfasst das überzeugende Werk 43 Handschriften und Fragmente. Sie werden durch Register und weitere Nachweise vorzüglich erschlossen, so dass ein weiterer hilfreicher Schritt auf dem Wege zu einer vollständigen Erfassung aller älteren Handschriften erfolgreich bewältigt werden konnte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler