Kepsch, Silvia, Dynastie und Konfession –
Das Handeln des Menschen wird von seinem ersten Anfang an durch eine Vielzahl unterschiedlichster Gegebenheiten bestimmt, über die er sich selbst nicht stets vollständig Rechenschaft ablegen kann. Dazu zählen vorbestimmte Anlagen und Gene ebenso wie eigene, auf Erfahrung beruhende und fremde, auf Erlebnisse anderer gründende Anstöße. Welches Moment in dem Ergebnis dann einen Ausschlag für eine Entscheidung in eine bestimmte Richtung gibt, können am ehesten die Betroffenen wissen und ist nachträglich oft nur durch gründliche, abwägende Ermittlung zu erkunden.
Einen sehr interessanten Teilaspekt dieser allgemeinen Problematik behandelt die vorliegende von Horst Carl betreute geschichtswissenschaftliche Dissertation der in Gießen 1988 geborenen und nach dem Studium der Fächer Geschichte, Kunstgeschichte sowie klassische Archäologie 2012 mit Studien über die Grafen von Solms den Master of Arts erwerbenden, seit 2014 über Dynastie und Konfession am Beispiel Wetterauer Grafenfamilien 1577-1648 promovierenden, nach Tätigkeiten als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft seit 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Repertorium Academicum Germanicum wirkenden und von der Studienstiftung des Deutschen Volkes unterstützten Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über das Thema, Forschungskontexte und Ziele, das begriffliche Instrumentarium (Dynastie, Haus, Familie, Religion und Konfession), Quellen, Methode und Aufbau sowie die Grafen von Nassau, Solms und Isenburg-Büdingen in vier Kapitel. Sie betreffen die Eheallianzbildung der Wetterauer Grafen und die Konfession einschließlich des Zustandekommens konfessionsverschiedener Ehen, die christliche Lebenspraxis in konfessionsverschiedenen Ehen, die konfessionelle Kindererziehung sowie Vormundschaftskonflikte und Konfession.
Auf Grund ihrer sorgfältigen Untersuchungen kann die Verfasserin in ihrer mit dem Wissenschaftspreis des Landes Hessen für Geschichte und Landeskunde ausgezeichneten Arbeit feststellen, dass in den Grafenhäusern Nassau, Solms und Isenburg-Büdingen in dem konfessionellen Zeitalter Eheallianzen in überraschend hoher Zahl zwischen lutherischen und reformierten Ehepartnern geschlossen wurden. Hieraus folgert sie einleuchtend, dass die konfessionelle Homogenität nicht das primäre Anliegen der Dynastien war. Insgesamt kann sie in diesem Rahmen auf ihrem Untersuchungsfeld die Vereinbarkeit persönlicher konfessioneller Glaubensfestigkeit mit der Gleichrangigkeit von Dynastie und Konfession als Orientierung nachweisen, wobei schließliche Erreichung der Religionsveränderung perspektivisches Ziel blieb, für dessen Verwirklichung es aber stets auch auf die vielfältigen individuellen Gegebenheiten ankommen konnte.
Innsbruck Gerhard Köbler