Villgrater Natur – Villgrater Kultur.

Eine anthropogene Landschaft. Besiedlungsgeschichte, Almhistorie, demographische Entwicklung und Handwerkskunst, hg. v. Rauchegger, Andreas/Schett, Josef. Studia Universitätsverlag, Innsbruck 2021. VIII, 381 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 12 (2022) 00. IT

Nach einem biblischen Befehl sollen sich die Menschen, obwohl sie nicht Schöpfer der Erde sind, sondern nur eigentlich rechtlose Nutzer, die ihr Geschenk aus unbekanntem Grund erlangt haben, das Erdreich untertan machen, was sie seit ihrer eigenen Entstehung in zuletzt stark wachsendem Ausmaß auch versuchen. Deswegen verändert der Mensch in dem nach ihm und seinen Fähigkeiten benannten Zeitabschnitt die Erde stärker als dies jemals zuvor der Fall war. Darum treten immer mehr durch Bauten und Verunreinigung von Luft, Licht und Wasser belastete Gebiete hervor, während verhältnismäßig wenig beeinträchtigte Bereiche, zu denen das dauerhaft wohl erst in dem Hochmittelalter besiedelte, bisher namentlich noch nicht eindeutig geklärte Villgraten in Osttirol gezählt werden kann, immer seltener werden.

 

Der vorliegende, von mehr als fünfzig Seiten unterstützte, vorzüglich ausgestattete und dem Rezensenten leider nur mit einiger bedauerlichen Verspätung verfügbare großformatige Band, der an seinem Ende Bernhard Flatscher (1977), Robert Perfler (1978), Sabine Sutterlütti (1960), Franz Jäger (1943) und Andreas Rauchegger (1977) als Autoren seiner insgesamt zehn Abschnitte nachweist, ist von intensiver Zuneigung zu seinem Gegenstand geprägt. Er beginnt nach einem zu Selbstbewusstsein ratenden Vorwort Franz Fischler über den Lebensraum Alpen mit einführenden Bemerkungen Bernhard Flatschers zur Geschichte des hinteren Villgratentals, an die Robert Perfler die Namenswelt Villgratens im Spiegel seiner Geschichte anschließt. Sabine Sutterlütti stellt einen Vergleich über das Jahr ohne Sommer an und Franz Jäger betrachtet unsere Schafe als Kulturträger im regionalen Vergleich an Hand von Hirtinnen und Hirten sowie den Tätigkeiten des Spinnens und Strickens.

 

Die übrigen sechs Beiträge hat Andreas Rauchegger beigesteuert. Sie befassen sich mit der unendlichen Geschichte des Kampfes um das Überleben, Entdeckungsbergreisen in das Villgratental und der frühen touristischen Aneignung seiner alpinen Kulisse, der Innervillgrater Sonnseite von Lahnberg und Hochberg, den Waldhöfen an dem Oberlahnberg, dem Arntal und seinen drei Almdörfern Unterstaller Alm, Oberstaller Alm und Kamelisenalm sowie schließlich der Schaffenskraft der Schmiede und Schneider, Weber und Wollverarbeiter. In seiner Summe wird der hervorragend mit vielen Farbbildern ausgestattete Band Villgraten mit Sicherheit viele neue Freunde zuführen, welche dieses Tiroler Kleinod dauerhaft ins Herz schließen und so oft wie möglich ihnen dies unter ihren besonderen Umständen möglich sein wird, aufsuchen werden.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler