Stadtrechte und Stadtrechtsreformationen, hg. v. Deutsch, Andreas

(= Akademie-Konferenzen – Schriftenreihe des Deutschen Rechtswörterbuchs 32). Winter, Heidelberg 2021. 681 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 12 (2022) 53. IT

Stadtrechte und Stadtrechtsreformationen, hg. v. Deutsch, Andreas (= Akademie-Konferenzen – Schriftenreihe des Deutschen Rechtswörterbuchs 32). Winter, Heidelberg 2021. 681 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Der vorliegende gewichtige, von Andreas Deutsch als dem Leiter der Forschungsstelle Deutsches Rechtswörterbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften in Idee und Organisation verantwortete Band beruht auf den Ergebnissen der interdisziplinären Tagung Stadtrechte und Stadtrechtsreformationen der Heidelberger Forschungsstelle, die als „Akademiekonferenz“ von dem 3. bis 5. April 2019 an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften stattgefunden hat. Er umfasst nach einem kurzen Vorwort eine doppelte thematische Annäherung. Sie erfolgt mit 505 Fußnoten und 5 Abbildungen ausführlich durch Andreas Deutsch von dem Stadtrecht in Italien zu den Stadtrechtsreformationen von Nürnberg (1479, 1503 und 1564), Worms (1498/1499), Frankfurt am Main (1509 und 1578) und Freiburg im Breisgau (1520) sowie Heilbronn (1513 und 1541), Windsheim (1521), Braunschweig (1532), Zwickau (1541), Wimpfen (1544), Amberg (1554), Lüneburg (1577-1583), Lübeck (1586) und Hamburg (1603/1605) mit vielleicht bis zu neun kennzeichnenden Merkmalen, wobei als Grenzfälle und Stadtrechte ohne Reformationscharakter Köln (1437), Stuttgart (1492), Tübingen (1493), Duisburg (1513) und niederländische Stadtrechte ermittelt und für Augsburg und Bremen angesichts des Fehlens von Reformation Scheitern oder Verzicht angesprochen werden.

 

Demgegenüber geht Gerhard Köbler unter Beibehaltung der Vortragsform ohne Fußnoten von der weiter in die Geschichte der Zivilisation des Menschen zurückführenden Stadt aus, die in dem deutschen Sprachraum über ältere einzelne Herrscherprivilegien und Gewohnheiten zu Einung und Satzung findet. Sie wird wie ihr besonderes Recht nicht völlig unabhängig in dem deutschen Sprachraum entwickelt. Dies gilt darüber hinaus auf einer dritten Stufe auch für den als Ausdruck von Sehnsucht nach Vollkommenheit verständlichen Gedanken der Erweiterung und Verbesserung des Ordnungsinstruments Recht durch die seit dem Hochmittelalter über Universität, Rezeption und Renaissance als interessant und zielführend angesehene Idee der Reformation, die – wie die Beispiele zeigen - mit und ohne unmittelbare Verwendung des aus den lateinischen Wörtern reformatio und reformare abgeleiteten deutschen Wörter Reformation und reformieren in Stadt und Land erfolgen konnte.

 

Auf dieser Grundlage untersucht in dem anschließenden Rahmen mittelalterlicher Stadtrechte und deren Aufzeichnung Gerhard Dilcher italienische Kommunalstatuten des Mittelalters, Arend Mihm das Kölner Stadtrecht von 1437, Bernd Kannowski Struktur und Glossierung des Magdeburger Weichbildrechts, Katalin Gönczi Rechtsverbindungen zu der Zeit der städtischen Rechtsaufzeichnungen in dem mittelalterlichen Königreich Ungarn und Dieter Pötschke den Wechsel von Stadtrechten an dem Vorabend der Rezeption (an dem Beispiel Halberstadt-Goslar). Für die diesen aufschlussreichen Gedankengängen folgenden Gegenstand Stadtrechtsreformationen als möglichen neuen Typus der Stadtrechtsaufzeichnung behandelt Almuth Bedenbender spurensuchend Quellen, Manshu Ide (Tokyo) die sprachliche Modernität der „Neuen Reformation der Stadt Nürnberg“ von 1484, J. Friedrich Battenberg die Wormser Reformation von 1498/1499, Heike Hawicks Stadtrechtsbeziehungen am Niederrhein, Wendt Nassall das Freiburger Stadtrecht von 1520, Klaus-Peter Schroeder die Wimpfener Stadtrechtsreformation von 1544, Johannes Laschinger die Reformationen des Amberger Stadtrechts, Anja Amend-Traut kaufmännische Sonderinteressen in den Frankfurter Stadtrechtsreformationen von 1509 und 1578, Petr Kreuz Pavel Kristián von Koldíns Stadtgesetzbuch von 1579, Sonja Breustedt die „späten Stadtrechtsreformationen“ im Hanseraum, Christoph Becker fehlgeschlagene und doch fruchttragende Augsburger Stadtrechtsreformationen sowie schließlich Stephan Dusil die Leuvener Costuymen von 1622. Ein Verzeichnis der Beiträgerinnen und Beiträger des Bandes, ein Verzeichnis der Abbildungen, von denen eine farbige Darstellung auch die Titelseite ziert, ein Stichwortverzeichnis von Adoption bis Zwölftafelgesetz, ein Personenverzeichnis und ein Ortsverzeichnis runden das die weitgehend bekannten Ausgangspunkte vielfältig weiterführende und vertiefende Werk benutzerfreundlich ab, so dass auch für die geplante, bisher durch die allgemeine gesundheitliche Belastung der Gesellschaft in der Durchführung verhinderte Fortsetzung über die Landrechte und Landrechtsreformationen reicher Ertrag erwartet werden kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler