IG Farben zwischen Schuld und Profit –

Abwicklung eines Weltkonzerns, hg. v. Jehn, Alexander/Kirschner, Albrecht/Wurthmann, Nicola (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 91). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2022). XII, 407 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 12 (2022) 82. IT

Mit der Industrialisierung wächst das Streben nach Gewinnmaximierung mit Hilfe aktiver Gestaltung des Marktes durch Hersteller. Je umfangreicher eine Anfertigung eines Erzeugnisses in Serien erfolgen kann, desto niedriger kann der Preis des einzelnen Stückes sein, und je niedriger der Einzelpreis ist, desto mehr Stücke kann der Markt erwerben. Daraus erwachsen in der späteren Neuzeit fast zwangsläufig immer größere Unternehmen.

 

Als Folge entsprechender Überlegungen schlossen sich in Frankfurt am Main an dem 2. Dezember 1925 unter Carl Duisberg die acht Unternehmen Agfa, BASF, Bayer, Cassella, Chemische Fabrik Griesheim-Elektron, Chemische Fabrik vorm. Weiler Ter Meer, Hoechst und Chemische Fabrik Kalle zu der Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG (IG Farben) zusammen. Nach dem Regierungsantritt Adolf Hitlers wurde daraus auch mit Hilfe von Enteignungen das größte Unternehmen Europas. Dieses wurde zugleich größtes Chemieunternehmen der Welt, das durch seine enge Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Regime aber bleibenden Schaden nahm und nach Ende des Zweiten Weltkriegs von dem Alliierten Kotrollrat beschlagnahmt und aufgespalten wurde und schließlich an dem 31. Oktober 2012 infolge Insolvenz aufgelöst wurde.

 

Seiner Geschichte ist der vorliegende Sammelband gewidmet, in dessen Inhalt Andreas Helwig und Nicola Wurthmann mit einem kurzen Bericht über die Erschließung der Unterlagen der Stiftung I.G. Farbenindustrie einführen. Er enthält nach vier Grußworten 18 Einzelstudien über Entwicklung und Struktur der IG Farbenindustrie AG (i. A.), The Development and Significance of IG Farben i. A. for the Post-War West German Economy, die Ausstellung „IG Farben und das Konzentrationslager Buna-Monowitz, Abwicklung eines Weltkonzerns, den Bestand IG-Farbenindustrie AG im Bundesarchiv, Überlieferung von Unterlagen der IG Farbenindustrie im Landesarchiv Sachsen-Anhalt, die Überlieferung von Unterlagen der I.G. Farbenindustrie im Unternehmensarchiv der Bayer AG in Leverkusen, Überlieferung von Unterlagen der IG Farbenindustrie im Hessischen Wirtschaftsarchiv, die IG Farben und ihre Nachfolgegesellschaften an dem Beispiel der Farbwerke Hoechst AG, die Entflechtung am Beispiel der Behringwerke, die Auseinandersetzung mit dem Erbe in der Deutschen Demokratischen Republik, das Verfahren der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Carl Krauch und andere von dem 14. August 1947 bis zu dem 30. Juli 1948, die Zwangsarbeiterentschädigung als Zivilrechtsproblem, die Hauptversammlungen der IG Farben in Liquidation seit den 1990er Jahren, offene und verdeckte Konflikte, die Liquidatoren  und die Aufsichtsratsvorsitzenden der I.G. Farbenindustrie AG i.A., Hans Deichmann sowie (mit Fragezeichen) getrennte Wege in Bezug auf Krupp, IG Farben und die Vergangenheit. Abstracts (Kurzreferate), ein Verzeichnis der 18 Autorinnen und Autoren und Nachweise der 35 Abbildungen schließen den materialreichen Band, mit dessen Hilfe möglicherweise irgendwann eine umfassende Unternehmensgeschichte in Angriff genommen werden kann, benutzerfreundlich auf.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler